Darf man das???

Timur Verdes

ER IST WIEDER DA

Verlag: Eichborn

Erscheinungsjahr:2013

Seiten: 396

ISBN: 978-3-8479-0517-2

~ Vorgeplänkel ~

Ich muss gestehen, dass ich einerseits total scharf auf dieses Buch war, andererseits aber moralische Bedenken hatte. Darf man denn all die schrecklichen Taten ins Lächerliche ziehen? Sollte man nicht vielmehr sachlich damit umgehen und dafür sorgen, dass nichts verharmlost wird?

Ich bin weder links, noch rechts, sondern behaupte von mir immer „geradeaus“ zu sein.

(„Jeder soll glauben was er glaubt, das er glauben soll. Nur soll er nicht glauben, das andere das auch glauben müssen. Dann haben wir kein Problem.“ [K. Ebehantinger])

Ich beschloss mir dieses Buch zu Gemüte zu ziehen und objektiv darüber zu urteilen. In der Bahn oder im Bus merkte ich dennoch, dass ich stets darauf achtete, nicht allzu öffentlich zu machen, was ich da las. Warum weiß ich selbst nicht so genau. (Immerhin schreibe ich jetzt ja darüber.) Aber nun gut, ich bereue es nicht. Sondern bin sogar irgendwie erleichtert, dass ich es gelesen habe – und mitreden kann. 😉

Ganz besonderen Dank an meinen Göttergatten, der mir dieses Buch schenkte. Ohne ihn würde ich vermutlich noch meinen Kampf mit mir führen. <3

~ Klappentext ~

Sommer 2011. Adolf Hitler erwacht auf einem leeren Grundstück in Berlin-Mitte. Ohne Krieg, ohne Partei, ohne Eva. Im tiefsten Frieden, unter Tausenden von Ausländern und Angela Merkel. 66 Jahre nach seinem vermeintlichen Ende strandet der Gröfaz in der Gegenwart und startet gegen jegliche Wahrscheinlichkeit eine neue Karriere – im Fernsehen. Dieser Hitler ist keine Witzfigur und grade deshalb erschreckend real. Und das Land, auf das er trifft, ist es auch: zynisch, hemmungslos erfolgsgeil und auch trotz Jahrzehnten deutscher Demokratie vollkommen chancenlos gegenüber dem Demagogen und der Such nach Quoten, Klicks und „Gefällt mir“-Buttons.

~ Eigene Zusammenfassung ~

Adolf Hitler, der Mann, der für den Tod von Millionen von Menschen verantwortlich war. Ganz plötzlich ist er wieder da. Warum weiß er allerdings selbst nicht. Auch die Welt in der er sich befindet ist nicht mehr die, wie er sie kannte. Das schlimmste für Adi: Keiner glaubt ihm, das er wirklich Adolf Hitler ist. Sehr schnell wird er für einen Comedian gehalten. Da er weder Papiere, noch ein Dach über den Kopf, geschweige denn einen job hat lässt Hitler sich darauf ein. Ein Kioskbesitzer verhilft ihm sogar bis ins Fernsehen.

Wie man sich bei Hitler denken kann, macht er das alles nicht ohne Hintergedanken. Im Gegenteil. Adolf möchte wieder in die Politik, an die Macht. Er will Deutschland dazu verhelfen wieder deutsch zu sein. Umso mehr verwirrt es ihn, dass z.B. die Wäscherei Türken gehört. Doch am irritiertensten ist es wohl, dass seine Sekretärin „Judenblut“ in den Adern hat. Dabei sieht sie doch gar nicht so aus und ist eine ganz liebe Person!

Hitler erfährt nicht nur viel über „die neue Welt“, sondern auch über sich selbst. Vor allen werden zwei Dinge bestätigt: Der Mensch ist beeinflussbar und Politik wird gemacht.

~ Cover / Buchgestaltung ~

Der Hardcovereinband ist schlicht, aber optisch dennoch irgendwie edel gehalten. Auf weißem Untergrund befindet sich der schwarz glänzende Haarschnitt Hitlers. Etwa dort wo der Bart wäre, befindet sich der Titel.

Die ersten sowie die letzten Seiten sind komplett schwarz und im Roman ist ein, ebenfalls schwarzes, Lesezeichen eingearbeitet.

~ Eindrücke / Meinung ~

Die Idee an sich ist nicht neu: Jemand aus der Vergangenheit taucht in (unser) Gegenwart auf. Doch einen „großen Politiker“ zu wählen, ist etwas anderes, besonders wenn es sich um Adolf Hitler handelt. Es geht dabei nicht einmal um seine Person, sondern um seine Ansichten.

Einfach herrlich finde ich, dass er mir, wer hätte das gedacht, in einigen Punkten aus der Seele spricht. So mag dieser Hitler die Presse nicht:

„[…] Aber man weiß ja, was man von unseren Zeitungen zu halten hat. Da notiert der Schwerhörige, was ihm der Blinde berichtet, der Dorftrottel korrigiert es, und die Kollegen in den anderen Pressestellen schreiben es ab. Jede Geschichte wird von Neuem aufgegossen mit demselben abgestandenen Lügensud, um dann das >herrliche< Gebräu dem ahnungslosen Volke zu kredenzen. […]“ (S. 33)

Wie könnte es anders sein, natürlich taucht auch die BILD-Zeitung auf und lässt in ihren Artikeln das ein oder andere weg. Passt ja auch nicht immer alles so… Doch Adi ist schlagfertig und dreht den Spieß einfach um! Ich dachte nur: Endlich mal einer!!!

Überhaupt sind erstaunlich viele Namen genannt. Parteien, wie auch einzelne Politiker bekommen ihr Fett weg. Renate Künast bekommt sogar einen Fernsehnauftritt mit Hitler.

Je weiter der Roman fortschreitet, desto tiefer dringt der Leser in die Gedanken dieses zweifelhaften Politikers ein. Leider weiß nur der Leser, dass es sich um den „echten“ Hitler handelt. Wüssten es die Menschen, denen er begegnet, sie würden sich vielleicht anders verhalten. Seine Umgebung hält ihn für einen Komödianten und ist manchmal doch erstaunt was er da so alles von sich gibt. Fast wie der „Echte“ würde er wirken.

„[…] Sie haben Mumm. Es ist Ihnen wirklich egal, was die Leute von Ihnen denken, oder?“ „Im Gegenteil“, sagte ich, „ich will die Wahrheit sagen. Und sie sollen denken: Das ist jemand, der die Wahrheit sagt.“ „Und? Denken sie das jetzt?“ „Nein. Aber sie denken nicht mehr dasselbe wie vorher. Und das ist alles, was man erreichen muss. Den Rest macht die stetige Wiederholung […]“ (S. 171)

Ich muss gestehen, dass ich einige Aussagen der Romanfigur (!) wirklich toll finde. Oftmals hat er in vielen Ansichten einfach den gleichen Standpunkt. – Ich gestehe, dass mich dies doch ein wenig (positiv) überraschte.

Wie in (fast) jedem Roman kommt auch hier ein wenig Liebe vor. Allerdings verliebt sich nicht Adi, der vermisst nämlich noch seine Eva. Aber das hindert ihn nicht daran Liebestipps zu geben. Wie z.B. diesen hier:

„[…] Nicht zögern. Forsch voran. Frauenherzen sind wie Schlachten. Man gewinnt sie nicht durch Zögerlichkeit. Man muss alle Kräfte zusammenfassen und beherzt einsetzen. […]“ (S. 179) Ob alle Tipps sich in der Praxis bewehren würden, sei mal dahin gestellt.

Das vielleicht Beste an diesem Roman sind gar nicht mal die ganzen Lacher, die er dem Leser entlockt, wenn Adolf z.B. Fahrradhelme für an der Front durchlöcherte Helme hält, sondern dass er tatsächlich auch einmal zweifelt.

Ich habe nur einen Punkt der mich wirklich massiv stört:

Hitler wacht am Anfang des Romans, irgendwo unter freiem Himmel, auf. Wie er dorthin kommt weiß er nicht. – Ich leider auch nicht! Bis zum Schluss hatte ich gehofft, dass dieses Rätsel um die Wiederauferstehung gelöst würde, doch nicht einmal der geringste Hinweis darauf wird gegeben. Adolf selbst scheint dies auch ziemlich egal, denn er versucht gar nicht es heraus zu finden. Schade …

~ Schreibstil ~

Erzählt wird aus der Sicht von Adolf oder besser, Hitler erzählt hier selbst. Von seinem Erwachen über seine Auftritte bis hin zu seinem Weg nach oben. Dies hat den Vorteil das der Leser seine Gedanken erfährt. Was andere über ihn denken erfährt man aus Gesprächen die er mit anderen führt. Natürlich (?) sind ihm nicht alle Menschen freundlich gesinnt.

Da Adi nicht mehr der Jüngste ist, benutzt er teilweise eine antiquarische Sprache, dennoch lässt sich dieser Roman flüssig lesen.

Durch die Einteilung in kleinere Kapitel, könnte man eine längere Pause einlegen, ohne „den Faden“ zu verlieren.

~ Preis ~

Der Preis liegt bei 19,33 €. Ungewöhnlich, aber kein Zufall!

(Versteht ihr nicht? Lasst das Komma einfach mal weg… ;))

~ Fazit ~

Ein Roman welches gemischte Gefühle bei mir auslöste. Wenn man es mit Verstand liest entlockt es durchaus viele Lacher.

Super finde ich, dass viele „echte“ geschichtliche Hintergründe in den Roman eingeflossen sind. Hier hatte ich als Leserin das Gefühl, dass der Autor weiß wovon er schreibt. Es war auch nicht zu trocken, sondern gut verpackt, z.B. in Gespräche oder in Gedanken Hitlers.

Eine schöne Satire mit ernstem Hintergrund.

Meine Anerkennung gebührt besonders in einem Punkt dem Autoren: Obwohl Vermes selbst Journalist ist, kann er über diese Branche Witze machen.

ErIstWiederDa

~ über den Autor ~

Timor Vermes kam 1967 in Nürnberg zur Welt. Sein Vater war 1956 nach Niederschlagung des Volksaufstandes aus Ungarn geflohen, seine Mutter ist Deutsche. Nach dem Abitur studierte er in Erlangen Geschichte und Politik. Seither ist er als Journalist für Boulevardzeitungen wie die Münchner Abendzeitung oder den Kölner Express sowie verschiedene Magazine tätig.

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