Taschentuchalarm. Herzschmerz pur.

Jojo Moyes

Ein ganzes halbes Jahr

Verlag: Rowohlt

Erscheinungsjahr:2013

Seiten: 527

ISBN: 978-3-499-26703-1

 

~ Vorgeplänkel ~

Wie meine treuen Leser bereits wissen bevorzuge ich Horrorbücher oder Psychothriller. Auf die Idee eine Liebesgeschichte zu kaufen würde ich auf keinen Fall kommen. (Außer vielleicht zum Verschenken.) Meine Glücksfee fand dies anscheinend nicht so toll und sorgte dafür, dass ich ein eben solches Buch gewann.

Ehrlich gesagt weiß ich nicht einmal wirklich warum ich dieses Buch überhaupt gelesen habe. Was ich jedoch weiß, dass ich es nicht bereut habe!

~ Das Cover ~

Bei diesem Roman möchte ich auf das Cover eingehen, denn ich finde es wirklich sehr schön. Das Motiv zeigt einen Schattenschnitt. Eine Frau die auf einer Wiese einen Vogel fliegen lässt. (Nachdem ich das Buch gelesen hatte wusste ich was die Autorin damit sagen wollte: Was du liebst lass frei…) Der Titel ist ebenfall schwarz, aber herausgehoben. Er ist, im wahrsten Sinne des Wortes, fühlbar. Alles ist untermalt von roten Mohnblumenblüten. (Ich liebe Klatschmohn. ;))

~ Klappentext ~

Lou & Will

Louisa Clark weiß, dass nicht viele in ihrer Heimatstadt ihren etwas schrägen Modegeschmack teilen. Sie weiß, dass sie gerne in dem kleinen Café arbeitet und dass sie ihren Freund Patrick eigentlich nicht liebt. Sie weiß nicht, dass sie schon bald ihren Job verlieren wird – und wie tief das Loch ist, in das sie dann fällt.

Will Traynor weiß, dass es nie wieder so sein wird wie vor dem Unfall. Und er weiß, dass er dieses neue Leben nicht führen will. Er weiß nicht, dass er schon bald Lou begegnen wird.

Eine Frau und ein Mann. Eine Liebesgeschichte, anders als alle anderen. Die Liebesgeschichte von Lou und Will.

Eine Leseprobe gibt es auf der Verlagsseite unter:

http://www.rowohlt.de/fm/131/Moyes_Ein_ganzes_halbes_Jahr.pdf

~ Eigene Zusammenfassung  ~

Will ist erfolgreicher Geschäftsführer, Sportler und Lebensgenießer. Als er eines Tages die Straße überquert wird er angefahren. Sein Leben ändert sich. Von jetzt auf gleich. Will sitzt von nun an im Rollstuhl. Bis auf, sehr eingeschränkt, eine Hand und seinen Kopf kann er nichts mehr bewegen. Vielleicht noch schlimmer: Will ist 24 Stunden/ Tag auf Betreuung angewiesen.

Er verliert den Lebensmut, denn es ist sicher: Sein Gesundheitszustand wird im Laufe der Jahre immer schlimmer. Eine Besserung ist medizinisch bisher nicht möglich. Sein Pfleger Nathan weiß dieses und versucht gar nicht erst etwas schön zu reden. Für Will ist es kein Leben. Er beschließt den einzigen für ihn richtigen Weg zu gehen: Den Weg in eine Sterbeklinik.

Seine Eltern lieben ihn und möchten ihn nicht gehen lassen. So entsteht ein Deal: Will gewährt ihnen ein halbes Jahr. Diese sechs Monate nutzen diese um Louisa einzustellen. Sie soll Will von seinem Vorhaben abbringen. – Doch das weiß sie nicht.

Für Lou ist ihr „Pflegefall“ ein absoluter Miesepeter und sie hasst ihren Job. Doch dann beginnt sie eine andere Seite an Will zu entdecken, eine Seite die alle längst verloren glaubten …

~ Eindrücke / Meinung ~

Schon alleine die Vorstellung nie mehr laufen zu können finde ich schrecklich, doch die Gewissheit die Will hat auf für immer auf Hilfe angewiesen zu sein ist einfach nur grauenvoll. Nichts mehr machen können, nicht einmal mehr auf die Toilette gehen oder sich kratzen. Ganz banale Dinge die von jetzt auf gleich nicht mehr möglich sind. Das wünsche ich wirklich niemanden. Vielleicht ging mir die Geschichte deswegen so nahe.

Sehr schön finde ich das die Autorin nichts beschönigt. So erklärt Pfleger Nathan Louisa zum Beispiel, dass es Will nie besser gehen wird.

„[…] Aber Sie machen doch Physiotherapie und so weiter mit ihm.“ „Damit soll seine körperliche Verfassung aufrechterhalten werden – um den Muskelschwund und die Entmineralisierung der Knochen aufzuhalten und damit seine Beine beweglich bleiben, dafür machen wir das.“ Als er weitersprach, war seine  Stimme sanft, als fürchtete er, mich zu enttäuschen. „Er wird nie wieder laufen können, Louisa. So was passiert nur im Kino. […]“ (S. 105)

Ich finde es besonders toll, dass Moyes es geschafft hat neben der ganzen Tragweite eines Unfalls und dessen Folge auch immer wieder eine Prise Humor einzustreuen. Selbst Will hat Momente in denen er lacht, strahlt und immer öfter auch sarkastisch ist. Die Behinderung ist immer Thema, dennoch gibt es Momente in denen einfach „gelebt“ wird. Es ist unglaublich faszinierend was Lou sich alles ausdenkt um Will davon zu überzeugen, dass sich dieses Leben lohnt. Auch sie selbst lernt dabei eine ganze Menge. Besonders über sich selbst.

„[…] Ich stellte fest, dass die Beklemmung, die mich den ganzen Tag beherrscht hatte, mit jeder Bewerkung Wills weiter abflaute. Ich fühlte mich nicht mehr so, als wäre ich ganz allein für einen hilflosen Querschnittsgelähmten verantwortlich. Ich saß einfach da, neben einem besonders sarkastischen Kerl, und unterhielt mich mit ihm. […]“ (S. 126)

Die Charakter sind super ausgearbeitet. Ich konnte mich in jeden hinein versetzen. Es war immer so, als würden sie direkt vor mir stehen und ich sie schon lange kennen. Ein Lächeln zauberte mir Lou’s Vater mit diesen Sätzen ins Gesicht: „Hey. Wir finden schon einen Weg. Wir finden doch immer einen Weg. oder?“ (S. 485) Genau DAS hat meine Mutter immer gesagt, wenn uns das Schicksal mal wieder übel mitspielte. – Und sie hatte Recht. Bis heute haben wir immer einen Weg gefunden. 😉

Der Schreibstil ist ausschmückend. Meist erzählt Lou dem Leser was passierte. Zwischendurch ändert sich die Perspektive und es erzählt z.B. Nathan oder Wills Mutter. Glücklicherweise wird dies am Anfang eines Kapitels deutlich, da sich dann dort der Name des aktuellen Erzählers befindet. Ich hätte die Geschichte gerne mehr aus Sicht von Will gesehen oder vielleicht im Wechsel zwischen Lou und Will. Oft fragte ich mich welche Gedanken er wohl in einer bestimmten Situation hatte. Zwar wird dies teilweise in Gesprächen wiedergegeben, doch es „von ihm selbst“ zu lesen hätte sich sicher anders angefühlt. Dadurch das dieser Roman in kleinere Kapitel aufgeteilt ist, konnte ich ihn zwischendrin mal aus der Hand legen ohne den Zusammenhang zu verlieren.

~ Fazit ~

Das brisante Thema Sterbehilfe, Vor- und Nachteile, emotional und dennoch sachlich romantisch verpackt. Dieser Roman geht nicht nur ans Herz, sondern auch an die Nieren. Selten lege ich ein Buch einen Moment an die Seite um das gelesen zu verdauen. Bei diesem Werk ging es gar nicht anders. Ich hatte einen Kloß im Hals, ein Stechen im Herz, Tränen in den Augen, ein Lächeln im Gesicht… Das Auf- und Ab ging mir sehr nahe.

Für mich ein Drama und keine Liebesgeschichte. Ein wundervolles, wenn auch schwermütiges, Buch.

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1 Gedanke zu „Taschentuchalarm. Herzschmerz pur.“

  1. Danke für diese Rezi, sie ist toll! ich will dieses Buch lesen, ich hab mir die Maus kaputt gespielt am Buchbanditen 🙂
    Glückwunsch, dass du es gewonnen hast.
    LG und ein schönes WE
    Claudia

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