Rosi alleine unterwegs Tag 1 -Ruhe wird überbewertet

Am Morgen bin ich mit Migräne aufgewacht. Generell nicht willkommen, aber an einem Tag, andem ich Stunden unterwegs sein werden, noch viel weniger. Schon dirket am Morgen, als auch kurz vor meinem Aufbruch habe ich dann zwei Naratriptan eingeworfen, so dass der Anfall abgeschwächt wurde. (Es war jedoch Ron, der die Nacht zuvor wenig geschlafen hatte. Vielleicht war er ja noch viel aufgeregter als ich, mal einige Tage von mir getrennt zu sein.)

Mein ursprünglicher Plan war es mit dem Fahrrad zum Bahnhof zu fahren, um mein Gepäck nicht schleppen zu müssen. Allerdings wurde mir davon abgeraten, da mein Rad ja so einige Tage und Nächste am Bahnhof stehen würde, zudem noch über ein Wochenende. So kam es das meine Schwiegermutter („Mutti“) so lieb ist und mich zum Bahnhof bringt.

Osterholz-Scharmbeck – Bremen

Ich hatte mir zwei Verbindungen rausgesucht. Eine Hauptverbindung und immer eine, falls irgendwas nicht klappen sollte. Aus welchen Gründen auch immer. Natürlich kam es wie es kommen musste: Der Zug fähr bereits in OHZ mit Verspätung ein.

Ein Portrait von Rosi, auf dem Bahnsteig. Im Hintergrund ist, auf Grund des Schildes, zu erkennen, dass sie sich in Osterholz-Scharmbeck befindet.
Die Reise beginnt!

Bremen – Hamburg-Harburg

Ironie an der Sache: Es war genau die Zeit, die ich zum Umsteigen gehabt hätte … Gut, dann eben die Alternative und damit ein Zug, der länger unterwegs ist. Egal. Ich habe ja Zeit. Es ist kalt. Um mich warm zu halten, schlendere ich den Bahnsteig ab und bewege mich an den Automaten vorbei,

hoffe auf ein Heißgetränk. Fehlanzeige. Ausgerechnet hier stehen nur Automaten mit Kaltgetränken. Zum „wieder-in-den-Bahnhof-laufen“ fehlen mir Zeit und Motivation. Dann eben nicht.

Ich staune nicht schlecht darüber, dass es im Zug inwischen Ruhewagen gibt. Genau das brauche ich jetzt. Nicht nur wegen meinen Kopfschmerzen!

Schild im Zug, dass darauf hinweist, dass es sich hier um einen Ruhewagen handelt, in dem nicht geredet werden soll, nicht telefoniert und keine Musik gehört werden soll.
Was nützt das beste Angebot, wenn es Fahrgäste gibt, die es nicht annehmen und andere erst recht nicht in den Genuss kommen lassen???

Buch raus und etwas entspannen.

Buch Paradox Hotel
Fahrtzeit nutzen und Lesen!?

Für wenige Minuten. Auf den 4er direkt vor mir setzen sich zwei junge Mädels mit Kopftuch. Ohne Maske. Machen Selfies, quatschen permanent und fragen mich dann auch noch nach einem Stift! Ich setze mich in den unteren Bereich des Ruhewagens. Bei dem Mann vor mir geht eine Nachricht auf seinem Telefon ein. Natürlich hat er es nicht auf lautlos. Später fängt er auch noch an zu telefonieren …
Es ertönt eine Durchsage: „Auf Grund einer Zugdurchfahrt verspätet sich die Weiterfahren um wenige Minuten.“
Irgendwer spielt einen Videoclip ab. Natürlich mit Ton und ohne Kopfhörer…
Kurz vorm Ziel steigt ein junger Mann zu, bleibt auf dem Flur stehen und telefoniert. (Ist da auch schon Ruhezone?)
Der Mann vor mir bekommt eine Anruf, was ich aus dem Klingeln seines Telefons schließe. Natürlich telefoniert er wieder… Seine Maske hat er noch immer unter der Nase … (Nasenpimmelalarm)

Blick aus einem dreckigen Zugfenster in die Landschaft
Da ich keine Ruhe zum Lesen finde, will ich mir die Landschaft angucken. Aber alle Fenster sind so extrem dreckig, dass es nicht viel zu erkennen gibt.

Beim Aussteigen sehe ich das der Telefontyp vom Flur seine Schuhe auf dem Sitz vor ihm positioniert hat und natürlich auch keine Maske auf hat. Leider steigt er mit mir aus und findet sich kurze Zeit später auf „meinem“ Bahnsteig wieder …

Hamburg-Harburg – Lüneburg

Gleiswechsel. Zum Glück noch Zeit genug.
In der Bahnhofshalle finden sich jetzt Sitzgelegenheiten mit USB- Anschlüssen. Vermutlich kann man da seine Handys etc laden, um andere Fahrgäste zu tyrannisieren!?
Mein Zug kommt bereits eine Viertelstunde früher, was ich ausnahmsweise gut finde, da es noch immer sehr kalt ist. Zusammen mit einer älteren Dame steige ich ein.
Wir sitzen noch nicht lange, da klingelt ihr Telefon. Gaby ruft an und die beiden reden von einem Umzug, einem Wasserrohrbruch (unter dem Waschbecken) und einer Steuererklärung, ber der Gaby helfen soll. Sie haben sich jetzt für den Mittwoch verabredet. Als Dank für die Hilfe bekommt Gaby warmes Essen. Irgendwas mit Keulen und Kartoffeln.
Später klingelt ihr Handy erneut, weil sie versehentlich Gaby angerufen hat, die dann ihrerseits zurückgerufen hat. Immerhin hat sie das Gespräch kurz danach beendet.
Drei Stationen vor Ankunft werde ich das erste Mal kontrolliert. Der Scanner kann den QR Code nicht erkennen. Der Zugbegleiter wirft einen Blick auf die Datum: „Ich sehe aber, dass Sie gültig gebucht haben.“ und zieht seines Weges.
Glück im Unglück: die nachfolgenden Züge haben bereits 15 Minuten Verspätung. Ich habe damit den letzten pünktlichen erwischt.


Lüneburg – Bleckede

Weiter geht es für mich mit dem Bus. Wie oft bei Überlandbussen fährt dieser nur jede Stunde. Da in der Innenstadt eine Veranstaltung stattfindet (von der offenbar niemand weiß was es sein soll.), wurden Haltestellen verlegt und es wird eine Umleitung gefahren. Betrifft mich aber zum Glück nicht da ich in die andere Richtung muss.

Während ich an der Haltestelle stehe kommt eine ältere Dame zu mir und fragt: „Können Sie mir mal Ihre Augen leihen?“. Spontan drängt sich mir ein Bild in den Kopf, wie ich eines meiner Auge aus der Höhle quetsche und ihr hinhalten, was mich schmunzeln lässt. (Vielleicht sollte ich mir für solche Fälle diese Süßigkeitenaugen in die Jackentasche stecken, dann kann ich es hinreichen und sagen: „Können Sie sogar behalten!“) Stattdessen antworte ich: „Klar. Wie kann ich Ihnen denn helfen?“ „Nach Scharnebeck!“ Ich werfe einen Blick auf den Fahrplan, auf dem tatäschlich nur eine einzige Zeit steht und lese ihr diese vor. „Ahhh neeeee …. Da ist die Gedenkfeier vorbei, bevor der Bus kommt! Da muss ich ein Taxi nehmen!“ schimpft sie und zuckelt davon ohne sich für meine Hilfe zu bedanken. (Und ich blicke ihr staunend hinterher, als sie tatsächlich den Taxenstand ansteuert und frage mich, wie sich das finanziell leisten kann …)

Ich konzentriere mich darauf noch einige andere Personen zu beobachten. So bekomme ich einen Trick mit, um keine Fahrkarte für ein Zweirad kaufen zu müssen bzw. das dieses von der Mitnahme ausgeschlossen wird. Ein junger Mann klappt den Lenker seines E-Rollers herunter und steckt ihn in eine Tasche. Seinen bekannten erzählt er dann, dass es sich um eine alte Tasche von einem Vorzelt handelt.

Da es mittags ist und noch nicht (wieder) Ferien sind, wird der Bus sehr voll. Kurz bevor wir Lüneburg verlassen steigen zwei kleine Mädchen ein und stellen sich in die Mitte, weil es keine Plätze gibt, bei denen sie nebeneinander sitzen können. Ein Junge, vielleicht so um die 15 Jahre, steht für die beiden auf und bleibt bis zu seiner Haltestelle (was kurz vor Endstation war) stehen. Das es sowas noch gibt – und das von Teenies für Kinder! Respekt!

Bleckede

4 Stunden, 5 Umstiege und 3 Verkehrsmittel Später bin ich – endlich – am Ziel meiner Reise! (Und völlig k.o.!)

Meine Mutter steht bereits am Haus. (Angeblich, weil sie nach Post geguckt hat. ;-)) Da man von dort einen guten Blick zur, noch etwas entfernten, Bushaltestelle hat, steht bereits Essen auf dem Tisch, als ich eintreffe. Hungrig mache ich mich über Gemüseravioli her.

Marita und Rosi stehen nebeneinander und blicken in die Kamera
Mutter und Tochter wieder vereint

Gestärkt und erfrischt, machte ich mich mit meiner Mutter auf zum Einkaufen. Vor der Sparkasse liegt ein Obdachloser, was mich irritiert und nachdenklich macht. Ich bezahle auf ihren Einkauf und rechne mit Wiederstand, der zu meiner Überraschung aber ausbleibt.
Als mein Bruder, der sich inzwischen in der Wohnung bei unserer Mutter eingenistet hat, obwohl er seine Wohnung erst zum 30.11. gekündigt hat, sich blicken lässt, frage ich ihn nach dem Wichtigsten: dem WLAN Passwort! 😀

Später frage ich dann Mama nach dem Stammbuch von ihr und Papa. Es ist eine Erinnerung, die ich für die Hochzeit mit Ron nutzen möchte. Ich bekomme es, wenn auch leider ohne Urkunden. Bei der Suche danach findet Marita Konfirmationsfotos von uns allen. Obwohl noch jung, erkenne ich meine Eltern ohne zu Suchen. Gerhard gelingt es nicht. (Hah!)

Ein altes konfirmationsfotos von Rosis Papa
Konfirmationsfotos von meinem Vater (neben dem Pastor)

Abends helfe ich beim Vorkochen für den nächsten Tag. Während mir das Schälen der Mohrrüben mit einem Sparschäler superschnell gelingt, verfeinerne ich diese beim Schneiden mit einem Stückchen von meinem Finger und viiiieeeel Blut …

Rosi hält den linken Zeigefinger in die Kamera, der mit einem Pflaster verbundunden ist. Es ist zu erkennen, dass es darunter blutet.
Ups … Aus dem „Komm heile wieder“ wird wohl nichts mehr.

Mit meiner Mutter gucke ich, bis mitten in der Nacht, mehre Folgen Paranormal Investigation. Das Angebot mit ihr im Bett zu schlafen lehne ich ab, auch wenn ich ihre Seite bekommen hätte. Ich habe lange genug auf dem Sofa gelegen auf den mein Vater gestorben ist! – und ich bin froh, dass es nach Jahrzehnten endlich weg ist. Es ist fast so, als würde ich hier wieder freier atmen können. Es war überfällig.

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